Gegensätze bestimmen unser Leben. Lernen wir, sie für den Unternehmenserfolg zu nutzen.
Die Pracht des Lebens offenbart sich jeden Tag in bestechender Fülle. Bei genauerem Hinsehen besteht unser Dasein aus vielen Gegensätzen und Dualitäten, die faszinierende Paare bilden und einander dabei fast magisch ergänzen. Das Licht der Sonne schwingt sich zu einzigartiger Strahlkraft auf, da ihm mit der Dunkelheit der Nacht ein starker Gegenpol gegeben ist. Erst durch das Licht bekommt die Undurchsichtigkeit der Finsternis ihre volle Intensität. Wer je die wochenlange Dauer der polaren Düsternis erlebt hat, weiß um die Schönheit, mit der ein erster Sonnenstahl das depressive Schwarz erhellt. Menschen brechen bei diesem Anblick reihenweise in Tränen aus. Forscher, sonst in den kognitiven Weiten des logischen Denkens unterwegs, springen und tanzen wie eine wildgewordene Kinderschar umher. Nur wer dabei war, kennt die Freude dieses Augenblicks. Die Sonne wärmt, erhellt, lässt Herzen höherschlagen. In der Wüste allerdings zeigt sie ihre zerstörerische Kraft. Dort verbrennt sie, dörrt aus, tötet ab. Durch Erde und Mond hat sich in unserem Sonnensystem ein wundersames Paar gebildet, das sich ergänzt und gegenseitig bei aller Verschiedenartigkeit stabilisiert. Es ist der Mond, der unsere Erde dazu bringt, konstant um sich selbst zu kreisen. Ohne ihn würde sie taumelnd durch den Raum und um die eigene Achse eiern. Dauernd wäre auf der einen Seite Tag und auf der Rückseite Nacht. Flora und Fauna, Leben, wie wir es kennen, wären nicht möglich. Unser toter Mond ist Pate für des Lebens pralle Fülle auf dem Erdenrund. Das Eine ergänzt das Andere.
Die Chinesen nennen diese Dualitäten Yin und Yang: Tag + Nacht, Ja + Nein, männlich + weiblich, Liebe + Hass, Regen + Wüste, Himmel + Hölle. Obwohl entgegengesetzt, sind diese Dinge aufeinander bezogen, ermöglichen einander. Was wäre der Erzengel Michael ohne seinen Widersacher Luzifer? Gott ohne den Teufel? Je heller die eine Seite, desto düsterer ihr Gegenüber. Erst im dauernden Ringen zwischen Gut und Böse schlägt das Herz unseres Daseins mit voller Kraft. Je entrückter der Geist, desto größer die Verlockungen fleischlicher Lust. Wer das Leben in seiner reichen Fülle erfassen und erfahren will, tut gut daran, seine Dualitäten zu akzeptieren.
Der Weg von einem Gipfel zum nächsten führt erfahrungsgemäß durchs Tal. Vor dem nächsten Hinauf gibt es zwangsläufig ein Hinunter. Nur durch das Unten wird das Oben möglich. So verstehen wir, wie unwahrscheinlich ein dauernder Aufenthalt auf dem Siegertreppchen ist. Ständig gewinnen zu wollen, ist eine Illusion. Ein schönes Trugbild, sicher, doch ein Schein, der nicht sein kann.
So wird klar, dass es keinen Erfolg ohne Misserfolg geben kann. Fehler sind der Nährboden für das Gelingen. Auf dem Acker des Scheiterns keimt die frische Saat für kommende Erfolge. Als Gärtner gesprochen: Die Scheiße von heute ist der Dünger für morgen. Wie viel stressfreier und entspannter könnten wir in unseren Unternehmen arbeiten, würden wir dieses Gesetz akzeptieren. Der Weg zum Erfolg ist keine glatte und gerade Autobahn, sondern ein Kurs, der durch raue Gezeiten führen kann. Seine Gegenpole heißen: Risiko, Zweifel, Sorgen, Enttäuschungen, Kritik, harte Arbeit, Überstunden, Widerstand.
Eines ist gewiss: Bis wir unsere Ziele erreichen, werden wir uns mit den Widersachern des Erfolgs vorwärts und rückwärts abgearbeitet haben. Sie sind nicht Gegner, sondern Partner des Erfolgs. Schließlich haben sie ihn mit ermöglicht. Unternehmerisch erfolgreich zu sein, bedeutet Wind von vorne aushalten zu können, zu wollen und zu müssen. Er hat unsere Vorstellungs- und Leistungskraft zu jener Weißglut erhitzt, durch die Neues und Außergewöhnliches möglich wurde.
Krisen, Probleme, Konkurrenz und Wettbewerb sind das Beste, was uns auf dem Weg zum Erfolg passieren kann. Was wäre BMW ohne die Konkurrenz von Mercedes Benz, Airbus ohne Boeing, Coca-Cola ohne Pepsi, McDonalds ohne Burgerking, Apple ohne Microsoft, eine Regierung ohne die Opposition? Langweilig wäre die Welt, ohne Glanz und das Spektakuläre. Wie oft sind Spitzenunternehmen, vom eigenen Erfolg träge geworden, gar daran gescheitert. Denken wir an Sony, Grundig, Leica, Nokia oder Nixdorf. Aus den Herausforderungen der Gegensätze entsteht die Kraft des Neuen. Mehrfach wurde das Leben auf der Erde ausgelöscht – fast. Die Evolution fand immer einen Weg, sich anzupassen und zu überleben. Vom Leben lernen, heißt siegen lernen. Begreifen wir das endlich. Es ist nicht einfach, doch es ist möglich. Sonst wären wir versucht, uns auf den Lorbeeren früherer Siege auszuruhen. Nichts ist gefährlicher als der Erfolg von gestern. Wir glauben, ihn herbeigeführt zu haben. Oft war das Gelingen – nach der nötigen harten Arbeit – letztlich doch dem Zufall zu danken.
Was der Ökonom Joseph Schumpeter als schöpferische Zerstörung bezeichnet, ist der Stein, an dem wir die Klinge unseres Geistes schärfen können. Mit Produkten und Dienstleistungen, die noch keiner kennt. Zu denen wir nicht kommen wollten, sondern mussten, weil es ums Überleben ging. Der hinduistische Gott Shiva verkörpert gleichzeitig Zerstörung, Schöpfung und Neubeginn. Im Chaos, der Verwüstung, ausweglosen Situationen schaltet unsere Kreativität den Nachbrenner ein. Altes wird abgeworfen, Grenzen gesprengt, der Geist für das Neue, bisher Ungedachte geweitet. Erinnern Sie sich daran, wenn Sie beim nächsten Mal über die Konkurrenz fluchen. Danken Sie ihr. Sie ist das Beste, was Ihnen passieren kann.