Neue Technik sollte stets denjenigen dienen, die sie anwenden. Nicht umgekehrt.
„Ist das Pferd tot, wird es höchste Zeit, abzusteigen.“ So sagt es ein altes Indianersprichwort. Natürlich stimmen wir dem zu und stellen uns vor, den Sattel vom verendeten Vierbeiner abzuschnallen. Im Sprichwort ist das leicht, doch birgt unser Alltag im Unternehmen viele Gebiete, auf denen wir mit Ausdauer weiter tote Pferde reiten. Längst ist der Zossen im Pferdehimmel, trotzdem versuchen wir die sterblichen Überreste zu Höchstleistungen anzutreiben. Oft ist die Technik im Unternehmen dafür ein gutes Beispiel.
In welchem Zustand befindet sie sich bei Ihnen? Wie funktionsfähig sind Werkzeug, Equipment, Sicherheitssysteme, Möbel, Fuhrpark, Ihre Digitalisierung und IT? Vorsicht, wenn sie jetzt die Nase rümpfen! Regelmäßig erlebe ich in den Unternehmen Equipment, für welches das Adjektiv museal eine sehr wohlwollende Bezeichnung ist. Gebrochene Leitersprossen werden mit Kabelbindern zusammengeflickt, Gerüste mit Klebeband fixiert, Waldarbeiter arbeiten ohne Schnittschutzhose mit der Motorsäge in Jeans. Helme und Schutzbrillen werden nicht getragen, stromführende Leitungen haben blanke, mit bloßen Händen zusammengedrehte Enden. Die Begründungskiste der Ausreden ist gut gefüllt: Keine Zeit! Nur mal eben! Machen wir später, bald! „Warenwirtschaftssystem? Kundenmanagement? Digitalisierung? – ja, also wir arbeiten noch auf Papier.“ In Sätzen wie diesen lauert eine diabolische Gefahr. Wir wissen um die Dauerhaftigkeit von Übergangs- und Zwischenlösungen. Gut gemeinte Kompromisse wachsen sich aus bis in eine gefühlte Ewigkeit. Das Wort „bald“ hat eine Lebensdauer von Jahrzehnten. Ein Anwalt erzählte mir von einem Bild, das im Besucherzimmer seiner Kanzlei er aufzuhängen immer wieder vor sich herschob. Mehrfach waren Klienten über das an die Wand gelehnte Bild gestolpert und daran hängen geblieben. Als er nach 17 Jahren neue Räume bezog, wanderte das Bild auf den Müll. Es wurde nie aufgehängt.
Einer Fahrt ins Abenteuer gleicht in vielen Firmen der Blick auf die IT-Landschaft. In welchem Zustand sind Software und Rechner, wie gut funktioniert ihre Vernetzung? Entsprechen die Netzwerke den Anforderungen der Firma oder wird ein Unternehmen in ein technisches Korsett gezwängt? Die Datensicherung birgt erfahrungsgemäß das Potenzial zum Krimi. Natürlich sind Festplatten gespiegelt, werden regelmäßige Backups gemacht. Nebulös bleibt jedoch die Antwort auf die Frage, ob der Datenträger einer Datensicherung überhaupt in der Lage ist, die gewünschten Daten abzuspeichern. Viele Jahre waren bei einem meiner Klienten aus der Gastrobranche Backups auf einen komplett gefüllten Datenträger gesichert worden. Er war seit 18 Monaten randvoll, eine Datensicherung damit unmöglich. Niemand war auf die Idee gekommen, jemals zu prüfen, ob das vermeintlich Gesicherte auf dem Sicherungsmedium angekommen war. Erst meine Nachfrage brachte den Stein ins Rollen und eine neue IT-Firma ins Spiel. Weshalb in diesen eineinhalb Jahren nie etwas passiert ist, grenzt ans Mysteriöse. Immerhin lief die gesamte Lohnbuchhaltung für 130 Mitarbeiter über diesen Rechner. Gott muss ITler sein.
Es geht nie darum, stets das Neueste vom Neuen ins Feld zu führen. Oft sind Geräte der vorletzten Generation besonders leistungsfähig, weil sie keine Kinderkrankheiten mehr haben. Wer glaubt, den technisch letzten Schrei besitzen zu müssen, ist häufig Versuchskaninchen noch nicht ausgereifter Produkte. Die letzte Entwicklungsphase wird vom Hersteller auf den Anwender verlagert.
Auf der sicheren Seite ist ein Unternehmen dann, wenn die Verantwortung für Technik und Equipment glasklar geregelt ist, Abläufe erklärt und verstanden wurden, alle Beteiligten die Sinnhaftigkeit des Ganzen verstanden haben. Für einen Unternehmer heißt das, gebetsmühlenartig Belehrungen aussprechen zu müssen. Für diesen Weg gibt es keine Abkürzung, es kann ihn nicht geben. Erneut ist die Wiederholung die Mutter aller Dinge. Dieses Predigen in taube Ohren erfordert Ausdauer, als müsste damit ein verstorbener Mustang zum Leben erweckt werden. Da ist es wieder, unser totes Pferd.
Öffentliche Förderprogramme setzen an diesem Punkt an. Sie bringen lebenslanges Lernen, Wissenstransfer, Personalentwicklung und Arbeitsorganisation ins Spiel, mit denen die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens abgesichert werden kann. Was Hänschen nicht lernte, kann Hans sehr wohl lernen. Was ein Häkchen werden will, kann sich auch später krümmen. Und der berühmte alte Baum lässt sich natürlich versetzen – es ist alles eine Frage der Herangehensweise und der Technik. Welches Wissen, welche Personalführung und Kompetenz braucht ein Team, um im rasenden Wettlauf der technischen Entwicklung am Ball zu bleiben? Was wird von uns wie geregelt, entwickelt und überwacht, was delegieren wir an externe Dienstleister? Das sind die Fragen der Zeit, wenn es um die Technik geht. Darauf braucht es Antworten.
Ich habe Bohrgeräteführern monatelang in den Ohren gelegen, den Lkw-Führerschein zu machen. Die steten Tropfen meiner Argumente höhlten schließlich den Stein des Widerwillens. 18 Monate später besaßen alle Monteure die Fahrlizenz. Ihr Erwerb war ihnen bis dato unmöglich vorgekommen. Trotzdem haben sie es geschafft. Alles eine Frage des Wollens, des Lernens und der Technik.