Wofür bin ich unterwegs? Wer das nicht weiß, treibt orientierungslos durchs Leben.
Spätestens bei der ersten Steuerprüfung stellt sich uns Unternehmern die Sinnfrage. Wer an den falschen Kandidaten staatlicher Kontrollbehörden gelangt, wird sich an den Kopf fassen und fragen, welche Ausgeburten Bürokratie und Verwaltung noch in die Welt setzen können. Da braucht es schon einen willensstarken Charakter, um nicht zu verzweifeln. Bei meiner ersten Steuerprüfung war ich erstaunt, welche taktischen Winkelzüge mir der Prüfer unterstellen wollte. Dinge wurden hinterfragt, auf die ich im Traum nicht gekommen wäre. Ein Verdacht drängte sich auf: Stehen diejenigen, die ein Unternehmen besitzen, in der heutigen Neidgesellschaft unter Generalverdacht? Unternehmer, das scheinen diejenigen zu sein, die Steuern hinterziehen, Schattenwirtschaft betreiben und dann im Zweifelsfall niemanden ausbilden.
Wer davon unbeeindruckt sein Unternehmen auf Kurs halten will, braucht einen starken inneren Antreiber, damit das Firmenschiff die angestrebten Ziele und Ergebnisse erreicht. Allen Klischees und bürokratischem Schwachsinn zum Trotz treiben die Unternehmer ihre Firma für ihre Belegschaft und ihren Erfolg voran.
Es geht um die Frage nach dem Wofür. Je erschöpfender und befriedigender die Antworten darauf sind, desto mehr Wasser bleibt unter den Kiel in der rauen See des Wettbewerbs. Welchen Sinn es macht, ein Unternehmen zu leiten, sich über zukünftige Entwicklungen den Kopf zu zerbrechen, gehört zur Essenz des Unternehmerseins. Wer auf der Brücke seiner Firma steht, braucht überzeugende Gründe, um aus dem sicheren Hafen des Gewohnten ins Ungewisse neuer Märkte aufzubrechen. Doch was treibt uns an, im eisigen Wind von vorn zu bestehen, während sich der Großteil der Bevölkerung im Windschatten zusammenkauert?
Das Fach Wirtschaft war auf meinem Gymnasium ein Totalausfall. Möglichkeiten wie Unternehmertum oder Selbstständigkeit wurden totgeschwiegen. Kein Wunder, die 68er in unserem Lehrerkollegium hatten den langen Marsch durch die Institutionen angetreten. Es gab nicht eine Stunde über Chancen und Möglichkeiten der Gestaltungskraft, die der unternehmerische Mensch entfaltet, wenn er sein Ding macht, weil er keinen Job, sondern seine Berufung gefunden hat. Dafür erinnere ich mich an qualvolle Momente, in denen dem Gespenst des Kapitalismus die Maske heruntergerissen wurde. Von Ausbeutung und entfremdeter Arbeit war die Rede, von der Knechtschaft des Proletariats. Viele von uns waren danach bereit, wegen des Grundwiderspruchs zwischen Lohnarbeit und Kapital auf die Barrikaden zu gehen. Beruf und Beschäftigung bekamen plötzlich etwas Bedrohliches; mit ihnen war Leistung verbunden. Planten die einen danach eine sichere Beamtenlaufbahn, würde der Rest vor den irdischen Mühen der Arbeit auf die Uni entfliehen. Ein Unternehmen gründen? Das war eine Schnapsidee für Verrückte.
Bis heute werden junge Menschen auf unseren Schulen viel zu selten gefragt, welche Flamme in ihnen brennt – und wofür?
Wieviel Sinn machen Turboabitur, Blitzausbildung und Hochgeschwindigkeitsstudium, wenn nicht intensiv darüber nachgedacht wird, welchen Zweck das alles haben soll. Was können Staat, Schulen, Universitäten, Fachhochschulen, öffentliche Förderung tun, damit sich auch bei uns die Steve Jobs, Bill Gates und Mark Zuckerbergs segensreich entfalten können? Unternehmer werden immer eine Minderheit in der Gesellschaft bleiben. Ein Ziel könnte sein, ihre Zahl in Deutschland in den kommenden zwanzig Jahren zu verdoppeln – dafür stehe ich.
Dies zu unterstützen, gehört zu Ihren wesentlichen Aufgaben: Wie können junge Talente unterstützt werden auf ihrem Weg, ein Unternehmen zu gründen? Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit ist, mit der Belegschaft und den Inhabern über Entwicklungs- und Zukunftsmöglichkeiten zu sprechen. Darüber, welche Weiterbildung gewünscht ist, welche Qualifikation angestrebt wird, welche Veränderungen kommen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Viele exzellente Ideen kommen aus der Belegschaft. Die steht genauso gut im Thema wie die Unternehmensinhaber. Hier schlummern Potenziale, Schätze und Möglichkeiten, die gehoben werden sollten – dafür stehe ich erst recht.
Ein Klassiker ist der Moment, wenn sich bislang kein Nachfolger für einen Unternehmer im vorgerückten Alter gefunden hat. Längst haben die eigenen Kinder des Inhabers oder der Inhaberin abgewunken. Profit aus dem Unternehmen ziehen? Ja, bitte. Dafür die Verantwortung zu übernehmen? Nein, danke. Plötzlich steht das Unternehmen zum Verkauf. Blicke schweifen, um geeignete Kandidaten zu finden. Ob sich jemand findet?
Es ist spannend zu beobachten, welche Flügel einer Belegschaft wachsen, wenn die Existenz der Arbeitsplätze gefährdet ist. Plötzlich werden Kräfte freigesetzt, von denen niemand zuvor etwas ahnen konnte. Mehrfach durfte ich bislang erleben, wie aus leitenden Angestellten Unternehmer wurden; Management Buyout nennt sich das. Was brauchen wir, damit dies öfter und früher möglich wird, weil sich Menschen die Frage nach dem Wofür ihres Tuns als Unternehmer beantworten?