VUKA-Welt

Wie gut halten Sie es aus, dass sich alles ständig ändert?

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In unserer heutigen Zeit treiben die Blumen der Modewörter immer schneller neue Blüten, die oft ebenso schnell auch wieder verwelken. Mag sich vieles mittler­weile fest in unserem Wortschatz verankert haben, so bleibt einiges doch im Nebel des Ungewissen: Angli­zismen wie „Coffee to go“ oder „Check-up“ erschließen sich vielen von uns. Bei Begriffen wie „Mindset“, „Canvas“ oder „Empowerment“ wächst die Klarheit, wenn wir sie mit Geistes­haltung, Leinwand und Selbst­be­fä­higung übersetzen – dann wissen alle, worum es geht.

Doch es gibt eine weitere Wortgattung, mit der sich das Universum unserer Sprache ausdehnt. Die Rede ist von Akronymen; das sind Worte, die sich aus den Anfangs­buch­staben verschie­dener Begriffe zusam­men­setzen. Geheim­nisvoll klingt es, wenn diese Akronyme ausge­sprochen werden. Noch spezi­eller erscheinen die Begriff­lich­keiten, aus denen sie sich zusam­men­setzen. Eine dieser myste­riösen Wortneu­schöp­fungen ist der Begriff VUKA. Er setzt sich aus den Anfangs­buch­staben der Worte Volati­lität, Unsicherheit, Komple­xität und Ambivalenz zusammen. Ausgehend vom geflü­gelten Wort „Nichts bleibt, wie es ist“, gehen diese vier Begriffe in die Tiefe der Details und umreißen die Wahrnehmung unserer aktuellen Arbeitswelt – so wie sie ist, so wie sie sich weiter­ent­wi­ckeln wird. Gefühlt und geahnt haben wir es bereits. Unsere Welt ist unsicher, schnell, schwierig und unvor­her­sehbar. Die schlechte Nachricht: Das bleibt nicht nur so, dieser Trend wird sich weiter verstärken. Schauen wir zurück auf die vergan­genen sieben Jahre, auf unsere Arbeit, unser Leben und die Technik, mit der wir uns umgeben. Eines ist sicher: So langsam, wie es einmal war, werden die Zeiten nie mehr werden.

1987 brachten die beiden Wirtschafts­wis­sen­schaftler Warren Bennis und Burt Nanus den Begriff (in Englisch VUCA) erstmalig in die Welt. Später übernahm das US-Militär den Begriff, als sich nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusam­men­bruch der UdSSR der jahrzehn­telang zemen­tierte Ost-West-Gegensatz auflöste: Wie gehen wir damit um, wenn der Feind von früher plötzlich nicht mehr da ist? Lange hatten sich die Militärs und Strategen an ihm gerieben, waren vom Gegner um den letzten Nerv gebracht worden. Gleich­zeitig hatte dies Stabi­lität vermittelt. Wir wussten, wo es lang ging, was zu tun war. Doch mit einem Mal löst sich das Gewohnte auf. Der Feind ist weg. Einst hätte dieser Gedanke das Potenzial zum vorge­zo­genen April­scherz in sich getragen; plötzlich war er Wirklichkeit. Verwun­derung und Ratlo­sigkeit breiteten sich aus.

Bereit zur Entwicklung zu sein, bedeutet, zu lernen, ständige Veränderung auszu­halten. Das ist unbequem und geht uns extrem gegen den Strich. Wer ehrlich ist, gibt gerne zu, dass wir uns alle wünschen, es möge so bleiben, wie es ist. Wie war das noch bei Heraklit, der uns lehrte, dass wir nie zweimal im gleichen Fluss baden? Die Dinge sind und bleiben in Bewegung. Vertraute Funda­mente und Gewohn­heiten erweisen sich als Kartenhaus, das den Stürmen und Heraus­for­de­rungen der Gegenwart und Zukunft wenig Stabi­lität entge­gen­zu­setzen hat. Das Neue nagt immer schneller an den Wurzeln vermeint­licher Sicherheit, höhlt sie aus, bringt sie zum Einsturz.

Wie gerne möchten wir dem ausweichen, schauen wir in die Glaskugeln der Prognostik, wollen wir wissen, wie es werden wird. Doch das ist nicht möglich. Bereits Mitte des 20. Jahrhun­derts formu­lierte es der Komiker Karl Valentin auf seine treffende Art: „Prognosen sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ An den Börsen gibt es einen weiteren Satz, der diese Erscheinung auf den Punkt bringt: „Ein Analyst ist jemand, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.“ Wir können die Zukunft nicht voraus­sehen, doch wir können Mut fassen, sie zu gestalten. Damit beginnt eine Entwicklung, auf die wir Einfluss haben. Was aber bedeutet diese VUKA-Welt, wie sieht sie aus, welchen Einfluss wird sie auf uns haben? Werfen wir einen Blick auf ihre vier Bestandteile.

Volati­lität

Ursprünglich stammt der Begriff Volati­lität aus der Physik. Dort bedeutet er so viel wie Unbestän­digkeit oder Schwan­kungs­breite. Max Planck prägte in seiner Quanten­physik den bezeich­nenden Satz: „Die Steigerung der Perfektion ist die Ungenau­igkeit.“ Volati­lität gehört als geflü­geltes Wort zu unserer Welt. So wie sich Wetter und Klima rasant verändern, entwi­ckeln sich Preise, Märkte oder das Verhalten von Menschen unvor­her­sehbar und mit hoher Geschwin­digkeit. Lange Zeit galt die Natur als hart im Nehmen und beliebig belastbar. Doch plötzlich zeigt sie mit rasantem Tempo, wie unser Herum­fuhr­werken auf dem Planeten Verän­de­rungen in Bewegung setzt, die uns Sorgen­falten auf die Stirn treiben. Niemand konnte die Dynamik der Friday for Future-Bewegung voraus­sehen. Mittler­weile hat diese eine so große Durch­schlags­kraft erreicht, dass sogar Wirtschafts­ka­pitäne großer Konzerne ihre Kritiker zum Gespräch bitten.

Je mehr Einflüsse und Strömungen in einer Entwicklung zusam­men­kommen, desto weniger lässt sich irgend­etwas über den Fortgang der Dinge sagen. Das ist wie bei einer mathe­ma­ti­schen Gleichung, deren Anzahl der Unbekannten stetig größer wird. Je mehr wir rechnen und auflösen wollen, desto größer werden die Schwie­rig­keiten. Das gilt es, auszu­halten – Überschau­barkeit war gestern. Unsere einzige Chance ist, uns auf Volati­lität einzu­lassen. Klassische Fragen „Wie wird es werden?“ oder „Wann sind wir da?“ erledigen sich. Das Kommende liegt im Nebel der Unsicherheit.

Unsicherheit

Da kaum etwas bleibt, wie es war, werden die Karten immer schneller neu gemischt. Erfah­rungen, Denkweisen oder Gesetz­mä­ßig­keiten verlieren ihre Gültigkeit. Es gibt jede Menge Schnee von gestern, der in der Sonne der Unsicherheit dahin­schmilzt. Wir stehen auf der Aussichts­plattform eines hohen Turmes, doch die Geländer des Gewohnten sind abgeschraubt. Uns Deutschen bricht bei diesem Bild der Angst­schweiß aus. Wir haben’s gern überschaubar und vor allem sicher. Doch gewiss ist nur eines – die Unsicherheit. Wie gerne wollen wir die Dinge überschaubar planen können, um Schritt für Schritt in Richtung Ziel vorzu­rücken. Doch die Unwäg­bar­keiten unserer Zeit sprechen eine andere Sprache. Unsicherheit ist die Konstante unserer Tage, das Fundament, auf dem wir unsere Runden drehen. Das gilt es, zu wissen, das will ausge­halten werden.

Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mach einen Plan. So sagt es eine alte Lebens­weisheit. Aus der schwä­bi­schen Maxime „Einmal Daimler, immer Daimler“, ist „Schaffe, schaffe, Unsicherheit“ geworden. Karrieren sind immer weniger oder gar nicht mehr planbar. Aufgaben und Berufs­bilder verändern sich rasant, fallen weg oder entwi­ckeln sich zu neuen Struk­turen. Die Karrie­re­leiter zeigt längst nicht mehr steil nach oben. Ihre Spros­sen­weite kann riesengroß sein, derweil die Tragfä­higkeit brüchig ist. In Deutschland fehlen nach einer McKinsey-Studie 1,8 Millionen Fachar­beiter und Handwerker. Ein Mangel, der massive Auswir­kungen auf die Wirtschaft hat.

Weltweit haben viele Firmen die Aufträge, aber nicht die Profis, um diese abarbeiten zu können. Gleich­zeitig wird die Work-Life-Balance für viele Menschen immer wichtiger. Zeit für die Familie und die eigene Entwicklung ist vor allem für die jüngeren Genera­tionen immer wichtiger. Sie arbeiten, um zu leben, nicht umgekehrt. Es tobt ein weltweiter Kampf um die Besten auf dem Arbeits­markt, diese gehen in jene Unternehmen, welche ihren Vorstel­lungen entsprechen. Gute Fachkräfte sind heute die ersten, die ein Unternehmen verlassen; die anderen bleiben. Große Konzerne gehen unter, während gleich­zeitig eine vorschnell belächelte Startup-Bude plötzlich zum mächtigen Konkur­renten wird. Die Großen fressen nicht mehr die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Unsicherheit ist das Grund­rau­schen unserer Zeit.

Komple­xität

Worauf unser Arbeits- und Berufs­leben zusteuert, ist eine Mixtur von Unwäg­bar­keiten. Wer Beleg­schaften weiterhin an ein Unternehmen binden will, muss neue Wege gehen: ihnen Sinn vermitteln, Gestal­tungs­mög­lich­keiten geben, ein „cooles“ Unternehmen sein, sie am Erfolg der Firma betei­ligen. Eine besondere Eigen­schaft der Komple­xität ist die Tatsache, dass sie vielschichtig ist. Fernab des Wortge­klingels bedeutet dies, dass niemand mehr genau Vorher­sagen formu­lieren kann und der Blick in die Zukunft dem in eine Glaskugel gleicht: Lieber Gott, lass uns irgendwas erkennen! Das Fundament, auf dem Entschei­dungen aufbauen, ist wackelig. Geregelte Bahnen und Abläufe gehören der Vergan­genheit an. Das nervt und zwickt, weil wir natürlich die überschau­baren Prozesse der „guten alten Zeit“ herbei­sehnen. Doch auch dieses Bild ist eine verklärte Sicht der Dinge. Es gilt, zu lernen, die Flatter­haf­tigkeit unserer Zeit auszu­halten. Bei einem Schmet­terling wissen wir nur, dass er fliegt; wohin, lässt sich kaum vorher­sagen. Anstelle der Fokus­sierung auf Details wird das Weiten des Blick­winkels wesentlich. Nur dadurch können wir Gesamt­zu­sam­men­hänge erkennen. Wer drohende Gewitter am Horizont recht­zeitig wahrnehmen will, darf nicht mit dem Blick auf dem Raum vor den eigenen Fußspitzen verweilen. Plötzlich gehören fast mystische Dinge zu den Erfolgs­pa­ra­metern – Glück und Zufall. Das Wort „Glück“ leitet sich histo­risch vom mittel­hoch­deut­schen „Gelücke“ ab und bedeutet soviel wie Gelingen. Unser Tun ist der treibende Faktor. Anpas­sungs­fä­higkeit und Problem­lö­sungs­kom­pe­tenzen im Team sind die Währungen der Zukunft. Wer immer noch glaubt, mit opera­tiver Hektik den Konzepten von gestern nachjagen zu müssen, verschwendet seine Kraft.

Ambivalenz

Ambivalenz bedeutet Zwiespäl­tigkeit, beschreibt den Spannungs­zu­stand des Ungewissen. Nichts ist heute mehr eindeutig und klar – geschweige denn, entspre­chend voraus­sehbar. Hier hilft uns wieder das Bild mit dem Surfbrett: Wer eine Welle reiten will, schafft dies nur, indem ständige Insta­bi­lität ausge­halten wird. Durch diesen dauernden Wackel­zu­stand in der Schwebe lässt sich für den jewei­ligen Moment so etwas wie Stabi­lität erzeugen. Wer auf einem Surfbrett sicher wie auf Schienen gleiten will, ist zum Scheitern verur­teilt. Das erzeugt Angst vor dem Unbekannten. Schweiß­aus­brüche sind garan­tiert. Wen wundert’s. Beleg­schaften, Führungskräfte und Unter­nehmer müssen lernen, für diese Arbeitswelt einen tragfä­higen Mehrwert zu liefern: die Mitarbeit, das Einbringen, die Ideen, die Kritik der Mitarbeiter. Das ist das Salz in der Suppe zukünf­tiger Entwicklung zur Freiheit, welche die Fesseln der Gewohnheit und der Routine gesprengt hat. Vorbei sind die goldenen Jahre, in denen das Denken und Führen nur bis zum Tellerrand der eigenen Abteilung ging. Eine Unter­nehmung, die ohne Kopf geführt wird, ist ebenso orien­tie­rungsfrei unterwegs wie eine Führungs­kraft, der die Beine und Arme der ausfüh­renden Mitarbeiter fehlen. Die neuen Anfor­de­rungen im Berufs­leben hebeln alte Führungs­prin­zipien aus. Es ist schwer, heute wie Columbus zu Seewegen nach Indien aufzu­brechen. Für den großen Wurf „Go west!“ fehlt uns die Überschau­barkeit. Wer heute in See sticht, kann nur auf Sicht segeln, von Insel zu Insel. Dieses sich vorsichtige Schritt-für-Schritt-Vortasten ist die Strategie unserer Zeit. Trotzdem ist es höchste Zeit, vorhandene Bremsen zu lösen, um Fahrt aufzu­nehmen. Wir brauchen eine Vision, die alle verstanden haben, deren Klarheit uns zu jener Beweg­lichkeit führt, damit wir in der VUKA-Welt nicht nur überleben, sondern gleich­zeitig gestalten können.

VUKA zwingt uns zu dauernder Bereit­schaft, damit klarzu­kommen, dass sich die Dinge ändern. Lebens­langes Lernen ist ein anderer Begriff dafür. Ob auf analogen oder digitalen Wegen; wir müssen unser Hirnschmalz dauernd erhitzen und Wissen mehr und mehr zur Umsetzung und zum Können bringen. Dann ist VUKA keine Bedrohung, sondern exakt das, wofür uns die Evolution mit allen Sinnen und Fähig­keiten ausge­stattet hat.

Wer die Komple­xität und Unsicherheit der Zukunft aushalten kann, fühlt sich wohl in der VUKA-Welt. Du willst wissen, was dafür zu tun ist, wie das geht? Just call me?

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2020-11-14T08:50:47+01:0014. 11. 2020|
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