Changemanagement bedeutet, Widerstände vor dem Neuen zu überwinden zu können.
Alle reden von Veränderung. Heerscharen von Kommunikationsprofis blasen uns mit dauerhaft lautem Hörnerschall die ewig gleiche Melodie ins Ohr: Die Dinge, Arbeitsbedingungen, Märkte, Gesellschaft ändern sich. Nichts bleibt, wie es ist. Natürlich, das war schon immer der Lauf der Dinge. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere hat mit uns als Mensch zu tun. Sie ist der bremsende Faktor, der sich Veränderungen entgegenstellt. Seien wir ehrlich. Den Wandel zu handhaben, ihn willkommen zu heißen, das sagt sich so leicht. Bereits beim Gedanken daran, dass Gewohntes anders werden könnte, sträuben sich bei vielen von uns die Nackenhaare. Wir wollen, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Dann wissen wir, was wir haben. Dazu ein Bespiel: Sie geben einer Gruppe von 100 Zuschauern eine schöne rote Tasse. Anschließend stellen Sie sich auf die Bühne und bieten die gleiche Tassenform in blauer Farbe an. Mehr als zwei Drittel im Publikum wollen die rote Tasse behalten. Tauschen sie die Tassen aus, geschieht das Gleiche. Sie geben 100 Zuschauern die Tasse in blau und bieten auf der Bühne das Gegenstück in rot an. Wieder wollen mehr als zwei Drittel die Tasse behalten, welche sie in ihren Händen halten. In der Sprache des Volksmundes: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Dem Neuen bläst der Wind des Beharrens entgegen. Es soll nicht sein, was anders geworden ist. Kürzlich sagte mir jemand, dass er die Europreise stets noch in die alten Werte der D‑Mark umrechne. Wer Begriffe wie Changemanagement in den Mund nimmt, muss wissen, dass allein das Aussprechen dieses Wortes Widerstand erzeugt. Veränderungen handhaben zu wollen, ist so, als würden sie in einem Topf mit flüssigem Beton rühren, während dieser langsam aushärtet. Natürlich sind wir im Kopf dem Neuen höchst offiziell gegenüber aufgeschlossen. Doch tief im Bauch lauern jene Gedankenbremsen, mit denen es sofort ans Verzögern geht.
Die Flamme des Neuen brennt selten auf dem Öl der Vergangenheit. Veränderer, Erneuerer und Erfinder sind immer mit den drei großen „B‘s“ konfrontiert:
Belächelt
Bekämpft
Bewundert
Das Neue wird zunächst als Schnapsidee abgetan und lächerlich gemacht. Ein typischer Satz: „Was soll der Blödsinn?“ Oder „Wenn Sie Visionen haben, gehen Sie zum Arzt.“ (laut Aussage von Altbundeskanzler Helmut Schmidt in einem Interview als „pampige Antwort“ auf eine „dusselige Frage“ gegeben). Hilft das nicht, die frische Idee aus der Welt zu schaffen, wächst der Widerstand: „Wollen wir doch mal sehen, ob sich dieser Blödsinn durchsetzt!“ Oder „Wer glaubt der Erfinder eigentlich, wer er ist?“ In dem Moment, in dem der Erfolg des Neuen nicht mehr wegzudiskutieren ist, bricht der Widerstand – meist zähneknirschend – in sich zusammen. Plötzlich heißt es: „Ich habe ja immer an diese Idee geglaubt! Wussten Sie nicht, das ist die Zukunft.“ Grundlage des Neuen ist die Erfahrung, die mit zündenden Ideen gespeist und am Leben erhalten wird. „Tradition bedeutet nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzugeben.“
Wie sehr unser Handeln von der Art und Weise, wie wir denken, beeinflusst wird, erzählt der Witz der drei Hammerwerfer, den mir Bernhard Trenkle 2014 auf dem Heidelberger Kongress „Mentale Stärken“ erzählte: Während einer Olympiade kämpfen drei Athleten beim Hammerwerfen um die Medaillen. Als erster tritt Gregory Iwanowitch aus Sibirien an. Er ist ein Riese von Mann, gestählt vom harten Überlebenskampf in den russischen Weiten. Jeder seiner Schritte ist voller Energie. Er lässt den Hammer kreisen und schickt ihn mit einem markigen Urschrei auf die Reise. Als sich die Kugel in den Rasen bohrt, hat der Russe einen neuen Olympiarekord geworfen. Die Menge im Stadion jubelt. Vor laufender Fernsehkamera kommentiert der Russe in gebrochenem Deutsch seinen Wurf: „Habe ich geworfen mit Kraft. Ohne geht in Sibirien nix. Meine Mutter kocht Borschtsch, Energiesuppe, die Erfolg möglich macht.“ Als nächster ergreift Samuel Silverstein aus Idaho in den Vereinigten Staaten den Hammer. Er ist noch größer als der Russe und ein wandelnder Berg aus Fleisch. Er wirbelt den Hammer, als sei dieser eine Erbse, dann lässt er das Sportgerät mit einem tiefen Brüllen fliegen. Weiter als jemals zuvor durchschlägt der Hammer die Grasnarbe – Weltrekord! Das Publikum tobt, die Stimmung im Stadion vibriert. Der Fernsehreporter kann es kaum fassen, was der Dreizentner-Mann aus den USA ins Mikro spricht: „Das war great, a good job. Mein Erfolgsgeheimnis: Hard work und viele T‑Bone-Steaks.“ Dann wird es still, der letzte Wettkämpfer greift zum Hammer. Erwin Klaputschinski aus Sachsen ist körperlich das krasse Gegenteil seiner Sportkollegen. Klein, schmächtig, mit unsicherem Gang. Doch dann: Nach nur einer Umdrehung schickt er den Hammer höher und weiter als die beiden Sportler zuvor. Das Publikum ist sprachlos. Klaputschinski wirft den Hammer über das Stadiondach hinaus. Die Menge rastet aus, wildfremde Menschen fallen sich jubelnd in die Arme. Zitternd vor Aufregung fragt der Reporter den Deutschen nach dem Erfolgsgeheimnis für diesen Jahrhundertwurf. Klaputschinski sächselt: „Mein Opa war arbeitslos, mein Vater war arbeitslos. Beide haben mir die folgende Lebensweisheit mit auf den Weg geben: Wenn dir einer einen Hammer in die Hand gibt, der nach Arbeit aussieht, schmeiß ihn so weit weg wie möglich.“ Es liegt an uns selbst, ob wir dem Drang nachgeben, unser Leben und Denken immer nach den gleichen Schienen auszurichten oder bereit sind, zu neuen Ufern aufzubrechen.
Wie offen und neugierig sind Ihr Team und Sie für das Neue?
„Wer einigermaßen derselbe bleiben will, muss sich ständig ändern.“ Gleiches gilt für Unternehmen. Wie sehr sind Veränderungen bei Ihnen möglich, Sie und Ihr Team offen für neue Herstellungsmethoden und Möglichkeiten? Wenn ja, gut. Doch wenn nicht? Wer den Befindlichkeiten in der Belegschaft Gehör schenkt, kann Veränderungen besser stemmen.